Oratoriumsfreunde in München

Es gibt nur eine Regel: Die Liebe (Philipp Neri)

Was aus der Idee wurde                


Wer wissen will, was ein “Oratorium” ist, wird mit der Suchmaschine in erster Linie Hunderte von Links zu musikalischen Werken finden. Die sind hier zwar nicht gemeint, haben aber dennoch etwas mit unserem Thema zu tun. Das musikalische Oratorium geht nämlich zurück auf die religiöse Gemeinschaft des Oratoriums, welche Philipp Neri im 16. Jahrhundert in Rom gründete, wo er in der Chiesa nuova begraben liegt. Oratorium bedeutet so viel wie Kapelle oder Gebetsversammlung. Das Oratorium ist kein Orden, sondern eine Gemeinschaft von Priestern und Laien. 

Im Todesjahr Philipp Neris, 1595, existierten neben der Urzelle in Rom bereits sechs weitere Oratorien. Rund hundert Jahre später, 1692, wurde das erste deutsche Oratorium in Aufhausen bei Regensburg gegründet, dessen letztes Mitglied 1886 starb.
Der bekannteste Oratorianer des 19. Jahrhunderts war der Theologe Kardinal 
John Henry Newman, der nach seiner Konversion vom Anglikanismus zur Katholischen Kirche das von ihm mitbegründete Oratorium in Oxford als seine persönliche Lebensform wählte. Er wurde 2010 von Papst Benedikt persönlich seliggesprochen. Mit Luigi Scrosoppi, einem Apostel der Mädchenjugend (+1884), wurde nach Philipp im Jahr 2001 der 2. Oratorianer heiliggesprochen.Philipp-Neri-Altar mit Herzreliquiar in Perugia

Auf Reisen begegnen uns immer wieder überraschend untergegangene Oratorien. In Florenz ist noch ein riesiges, verstaatlichtes Gebäude übrig, in Assisi hielten die Oratorianer in dem umgebauten antiken Tempel auf dem Marktplatz Gottesdienst, in Venedig gibt es noch Kirche und Oratoriumsgebäude S. Maria della Fava mit einem sehr schönen Barockgemälde, das den heiligen Philipp zeigt, in Perugia stießen wir überraschend auf die Reliquie seines überdimensionierten Herzens (siehe Bild).

Das Oratorium heute weltweit
1930
 fand unter dem Einfluß der englischen Oratorien eine erste deutsche Neugründung in Leipzig statt, gefolgt von München (1954)  in der Pfarrei St. Laurentius, Aachen (1956), Heidelberg (1968) sowie Dresden (1961), Frankfurt/ Oder (1967 - 1994), Celle (1992), und schließlich in Ilsede (1998). Mehr darüber unter www.oratorium.org. 
Ferner existieren Oratorien im deutschsprachigen Raum in Wien, Maria Lanzendorf (bei Wien) sowie in Glattbrugg bei Zürich. 1997 wurde im niederländischen Maastricht ein Oratorium gegründet, und in Belgien gibt es zwei Niederlassungen von Oratorianerinnen.
Weltweit leben derzeit ungefähr 
500 Oratorianer in 74 Gemeinschaften, vornehmlich in Italien und Spanien sowie in Mexiko und in den Vereinigten Staaten. Es gibt sogar ein Oratorium auf Hawaii! Oder seit 1934 in Rock Hill/USA. 
Sogar die 
Anglikaner kennen im Anschluß an die Oxfordbewegung das Oratorium. Seit 1913 gibt es ein solches in Cambridge und in vielen weiteren Orten weltweit. Die Begeisterung für den heiligen Philipp Neri schlägt also auch ökumenische Brücken, obwohl er doch ein Heiliger der Gegenreformation war.

Neue Aufbrüche
Im deutschsprachigen Raum zeichnet sich in den letzten Jahren ein neues Bewußtsein ab: Wie bei viele anderen Orden und geistlichen Gemeinschaften trat im Lauf der Zeit auch beim Oratorium eine zunehmende Klerikalisierung ein. Ursprünglich war das Oratorium eine Laienbewegung. Die kirchenrechtliche Form, die damals gefunden wurde, sollte eine familiäre Gemeinschaft ermöglichen ohne Gelübde und Zwänge einer Regel. Aus den Priestern und Laien, die miteinander versuchten, der innere Kern einer wachsenden Bewegung mit täglichen offenen Treffen für viele Interessierte und Suchende zu schaffen, waren schließlich reine Priestergemeinschaften geworden, die Pfarreien betreuten. Die liturgische Bewegung gab in Deutschland den Oratorien einen ganz eigenen Akzent mit einer besonderen Spiritualität. In den letzten Jahren wuchs aber das Bemühen der deutschen Oratorianer, auch an der Spiritualität des heiligen Philipp Neri interessierte Laien stärker an die Gemeinschaften anzubinden. Diesem Anliegen war im März 2011 eine offen Wochenendtagung in Paderborn gewidmet.